Hast Du ein Rendezvous? Oder wann wurde Dein Profil das letzte Mal rechts-geswiped?

21/06/2018
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Im Gegensatz dazu vermittelt die Bewegung der Rechtsswiper bei Tinder oder die der Likes bei Facebook ein falsches Gefühl des Überflusses und der multiplen Alternativen.

Ich werfe einen letzten Blick in meinen Schrank und vergewissere mich, dass das Kleid, das ich mir ausgesucht habe, die beste Wahl ist. Schnell schlüpfe ich hinein, während ich mit dem Fuß nach passenden Sandalen suche. Ein letzter Blick auf meinen Look und dann kurz auf mein Handy. Hoffentlich habe ich mit diesem Lokal eine passende Wahl getroffen. Es ist das erste Mal, dass wir nur zu zweit sein werden, nach ein paar Begegnungen in Gesellschaft von Freunden. Dieses Mal wird sich entscheiden, ob es noch weitere Treffen geben wird. Und vor allem auch, welche Art von Beziehung es sein wird. Es ist ein weiterer Versuch, einen Partner zu finden, in der Welt nach der Jahrtausendwende.

Wir schreiben das Jahr 2018, in dem emotionale Bedürfnisse und Klagen über Einsamkeit die virtuelle Welt der sozialen Netzwerke überfluten. Chat-Foren und Agenturen für Partnervermittlung scheinen reichlich Chancen zu bieten. Was hat sich in den letzten Jahrzehnten in Sachen Partnersuche verändert?

Wenn man ein paar Jahre zurückdenkt, so um 2008, da wurde mit emotionalen Angelegenheiten anders umgegangen. Arabischen Gesellschaften war das Dating, das Sich-Verabreden und Treffen zum Zweck der Partnersuche, kulturell fremd. Es gab arrangierte Ehen, organisiert von Familie und Kupplerinnen. Bei mehr Aufgeschlossenheit durften Freunde ihre unverheirateten Bekannten vorstellen. Darüber hinaus konnte man auch im Arbeitsbereich oder in religiösen Institutionen jemanden – in begrenztem Maße – kennenlernen. In anderen Fällen führten Liebesgeschichten aus der Universitätszeit zur Eheschließung nach der Absolvierung des Examens.

Das Konzept des Dating wurde erstmals in den US-amerikanischen roaring twenties bekannt. Davor war das Wort mit kommerziell angebotenem Sex verbunden. Vorehelicher Geschlechtsverkehr war zu dieser Zeit selbst in Amerika nicht erlaubt. Anfang der 1930er Jahre wurde diese Form der Partnerwahl zur Norm, sodass diverse Arten von Dating nicht mehr als anstößig empfunden wurden.

Eine solche Entwicklung war in der arabischen Region nicht zu verzeichnen. Religion, Tradition, Familien oder Stammesherrschaft untersagten die Begegnung der Geschlechter oder erlaubten sie nur in sehr engen und eisern gehüteten Grenzen. Nicht jeder hatte einen Einblick in die westliche Kultur. Nur bestimmte gesellschaftliche Schichten hatten Videogeräte, konnten sich Reisen ins Ausland leisten oder hatten Verwandte, die eine Satellitenschüssel hatten und ausländische Filme gucken konnten. Der Wunsch nach Veränderung und Lockerung der herrschenden Moral war generell ein jugendliches Bestreben, während die Älteren traditionsgemäß davon ausgingen, dass Liebe sich nach der Ehe einstellt. Und wenn nicht Liebe, dann eben ein Gefühl von Zuneigung, das ein auf Sympathie basierendes Zusammenleben ermöglicht.

Jahre nach Einführung des Internets und mit einem offeneren Kontakt zur Außenwelt entwickelten sich in den progressiveren Kreisen offenere Beziehungen in verschiedene Richtungen. Junge arabische Männer und Frauen verschiedener Nationalitäten wollten ihren eigenen Wortschatz verwenden und andere, rebellische Beziehungsformen gestalten, anstelle der von Familien und Gesellschaft überlieferten. Sie entflohen den arrangierten Ehen und versuchten ihre Partner oder Partnerinnen in ausgedehnteren Kreisen zu finden. In Ägypten erwuchsen in der kulturellen Szene neue Formen des Kennenlernens: den Raum dafür boten kulturelle und künstlerische Einrichtungen, Konzerte und Festspiele für unabhängige Filme. Auch eine modernisierte religiöse Rhetorik, angeführt vom ägyptischen Fernsehprediger Amr Khaled, richtete sich nun explizit an die Jugend. Amr Khaled verwandelte die Moscheen, in denen er predigte, in eine Zieladresse für Interessenten und fädelte zahlreiche Liebesgeschichten nach strenggläubigem Muster ein.

Ein klares Konzept von Dating gab es nicht. Jedoch gab es eine Vorstellung vom Verhältnis zwischen zwei Menschen oder dem Eingehen einer Beziehung, das etwas anderes ist als eine normale Freundschaft und in der es um Romantik und Liebe geht. Liebe ist der Schlüssel zu diesen Beziehungen. Man trifft sich auf Musikkonzerten, am Arbeitsplatz oder bei Zusammenkünften unter Freunden. Man unterhält sich und entdeckt gemeinsame Interessen, bis man dann anfängt, miteinander auszugehen, weil sich klare und starke Gefühle entwickelt haben. Nach mehreren Begegnungen sagt man sich das Zauberwort, um körperliche Berührungen einzuleiten, oder vielleicht auch mehr, je nach Einstellung bezüglich Beziehungen. Wenn es über eine längere Weile gut geht, beginnen die Vorbereitungen auf die Verlobung und Hochzeit. Die Familie wird eingeweiht und die Beziehung wird öffentlich gemacht.

Dabei durchläuft die Beziehung verschiedene Phasen. Das Treffen ohne Freunde ist der erste Schritt zum Partner bzw. zur Partnerin. Anschließend, wenn man sich vergewissert hat, dass die Gefühle wechselseitig sind und die Beziehung „echt“ ist, beginnt das Treffen mit gemeinsamen Freunden und Freundinnen, die die neue Bindung kommentieren und Ratschläge erteilen. So war es vor zehn Jahren noch vielfach der Fall. Damals gab es zwar schon Facebook, aber es war noch nicht so weit verbreitet. Auf Facebook konnte man den Kontakt zum Partner noch deutlicher pflegen. Man konnte ganz öffentlich etwas auf die virtuelle Pinnwand schreiben, ein Lied zusenden oder in Verse aus einem Liebesgedicht den Namen des oder der Geliebten schreiben. Facebook bot, zusätzlich zum richtigen Leben und dessen Herausforderungen, Möglichkeiten für kleine Liebesspiele.

In den Jahren vor und nach den Arabischen Revolutionen kam es zu immer mehr Kontakt mit anderen Kulturen. Die Jugend lehnte sich auf und rebellierte gegen die alten Bräuche, vor allem gegen die romantisch verbrämte Vorstellung von Beziehung und Ehe. Die Jugendlichen wollten Sex und Heirat nicht mehr wie eine „Wassermelone“ betrachten müssen, die man vor dem Aufschneiden nicht beurteilen kann – wie das Sprichwort in Ägypten lautet. Hierbei stachen vor allem die Frauen hervor. Arabische Frauen haben an Selbstsicherheit gewonnen. Sie wollen ihr Leben und ihre Karrieren nach ihrem Willen gestalten. Wichtiger noch, sie wollen ihren Körper kontrollieren und die Freiheit genießen, damit zu tun, was sie möchten. Parallel zur Verbreitung von Facebook und Smartphones kam der Mut auf, Rechte einzufordern. Dating-Foren gab es in der westlichen Welt bereits seit den Neunzigerjahren. In der arabischen Welt erschienen sie erstmals in Form von Web-Apps, die man mittlerweile auch mobil vom Handy aus benutzen kann.

Ein neues Verständnis von Partnerwahl begann sich zu entwickeln. Es gab nun verschiedene Formen von Beziehungen. Liebe war nicht mehr der einzige Schlüssel, um sich dem anderen Geschlecht zu nähern. Körperliche Bedürfnisse wurden getrennt von romantischen Partnerschaften gesehen. Jede Form von Beziehung hatte einen anderen Anfang.

Dating im Sinne von „miteinander ausgehen“ heißt nicht mehr unbedingt, dass die Beziehung „exklusiv“ ist. Die Verabredungen werden vereinbart, um das Verhältnis zu erkunden: Was will man von dieser Person? Will man nur eine sexuelle Beziehung? Will man eine Freundschaft, in der sexuelle Vorlieben gelebt werden können? Will man eine romantische, aber zeitlich begrenzte Beziehung? Will man eine langwährende romantische Beziehung, aber ohne Heiratsversprechen? Oder erkundet man, ob dieser Partner ein geeigneter Kandidat bzw. ob diese Partnerin eine geeignete Kandidatin zum Heiraten und Kinderkriegen ist?

Und während man versucht, auf all diese Fragen Antworten zu finden, dürfen beide Seiten mit anderen Partnern ausgehen und die jeweils anderen kennenlernen, solange noch nicht fest vereinbart wurde, dass die Beziehung exklusiv ist und dass man ausschließlich einander verbunden ist und kein anderer Partner mehr in Frage kommt. Daher darf man andere Beziehungen unterhalten, bis eine davon die anderen an Qualität übertrifft, was möglicherweise niemals eintritt. Dann bleiben beide Beziehungspartner unentschieden, offen für andere, aber treffen sich weiterhin regelmäßig.

So entstanden zusätzlich zum Konzept der eher konventionellen Partnersuche neue Dating-Konzepte wie „jemanden sehen“, „ein beziehungsähnliches Verhältnis haben“, „mit jemanden eine gute Zeit verbringen“ oder „mit jemanden nur befreundet sein“ mit gewissen sexuellen Freiheiten. In Ägypten geriet der ehemals verpönte Ausdruck mit der Bedeutung von „abschleppen“ (bzw. ködern, fischen, angeln) in den täglichen Gebrauch. Gemeint ist, dass der Fisch an der Angel zugebissen hat, das Wort wird von Männern wie Frauen gleichermaßen benutzt. Mit einem anderen neuen Ausdruck, der auch in diesen Zusammenhängen benutzt wird, beschreibt man eine sexuell ungebundene Beziehung ohne Versprechen, die nur dem Vergnügen beider Seiten dient und von kurzer Dauer ist.

All dies hat zur Folge, dass Heiraten zur letzten Priorität geworden ist. Es gibt nicht mehr die gleichen Treffpunkte oder Einrichtungen, in denen man den zukünftigen Partner bzw. die zukünftige Partnerin finden könnte. Dazu kommt die Globalisierung von Studien- und Arbeitsmöglichkeiten, die die Jugend ins Ausland zieht. Sie entfernen sich von Freunden und Familie, die bei der Partnersuche aktiv nach Optionen Ausschau zu halten pflegten. Für Frauen, die jetzt – wie auch die Männer – ihr Studium und ihre Arbeit der Eheschließung vorziehen, verliert das Heiraten an Dringlichkeit und hat keinen Vorrang mehr. Der stressige Tagesablauf lässt oft auch keine Zeit mehr für die Suche nach einem passenden Partner und raubt die Energie fürs „Erforschen“ und Verabreden. Männer und Frauen wollen mit jemandem ausgehen, den sie schon kennen und bei dem die Chancen auf emotionale und sexuelle Vereinbarkeit hoch sind, ohne dass sie erst alle Freunde und Bekannten treffen müssen. Das verschwendet wertvolle Zeit, die dann nicht mehr für anderes zur Verfügung steht.

Facebook ist mittlerweile auch im arabischen Raum eine Plattform für das Knüpfen von Freundschaften geworden. Kurz danach trat das Portal Tinder auf den Plan, und es erschienen mehr und mehr Agenturen mit dem Angebot einer geschlossenen Gruppe zum Zweck des ernsthaften Kennenlernens unter offen eingestellten Menschen. Wenn eine Person einen vielversprechenden Eindruck macht, was aus ihrem Bild oder den Kommentaren der Freunde hervorgeht, wird immer öfter versucht, sie kennenzulernen. Es gab und gibt in diesem Bereich immer mehr und mehr Möglichkeiten, die das Dating nicht unbedingt einfacher machen.

Die Digitalisierung hat unsere Wahrnehmung verändert. Vor kurzem veröffentlichte die Firma Match.com die Ergebnisse einer Studie aus dem Jahr 2016. Es zeigte sich dabei unter anderem, dass Facebook die Erwartungen an eine Beziehung bestimmt, und zwar in erster Linie über das Foto. So kann es sein, dass die Seite einer Person, deren Bild gefällt, in ihrem Textteil weniger attraktiv ist, denn zuerst wird das Bild beäugt, dann erst gelesen, was die Person so schreibt und ob es grammatisch korrekt ist, dann das Lächeln und die Zähne, und zuletzt, wie sie auftritt und sich kleidet.

Die „Persona“, die man für sich selbst auf Facebook kreiert, ist dementsprechend ein Hauptfaktor in den Erwartungen an die Beziehung. Über die Anzahl der Klicks auf „gefällt mir“ in Bezug auf den Inhalt erfährt man, ob die Aktivitäten verfolgt und die Bilder, die einen ins beste Licht rücken, angeschaut werden. Obwohl man folglich erwarten müsste, dass eine Person in Wirklichkeit ganz anders ist als auf Facebook vorgestellt, geht man hier Freundschaften ein, die dann leider oft eine Enttäuschung sind und viele dazu treibt, die Beziehung schnellstmöglich zu beenden.

Es gibt noch weitere Dating-Regeln, die sich in den letzten Jahren geändert haben. Männer beglückt es nun, wenn Frauen die Dinge in die Hand nehmen: wenn „sie“ nach der Telefonnummer fragt oder eine Textnachricht nach der ersten Verabredung sendet oder den ersten Kuss initiiert oder mehr verlangt!

Dementsprechend kann eine Beziehung in ein oder zwei Tagen anfangen und beendet werden, eventuell dauert sie eine Woche, wenn man sich noch über Messenger unterhält, oder zwei Wochen, wenn es zu einer ersten Verabredung gekommen ist, die nicht den hohen Erwartungen entsprach. In solchen Fällen greifen dann beide abends unbefriedigt wieder zur Freundesliste oder zu den anderen potentiellen Dating-Aussichten und fangen ein anderes Gespräch mit jemand Neuem an. Der alte Versuch wird hängen gelassen, ohne eine diesbezügliche Entscheidung zu treffen. Bestenfalls beendet man die Beziehung kommentarlos und ohne große Erklärungen. Möglicherweise fängt man an zu überlegen, ob man sich mehr spezialisieren und eine Tinder-App runterladen sollte.

Tinder basiert auf der Idee des „Matching“ oder des Verkuppelns. Auf der User-Seite gibt es einige wenige Informationen über den Benutzer und seine Interessen, die in der Regel von Facebook übernommen werden. Die Sucheinstellungen betreffen die Frage, an welchem Geschlecht man interessiert ist, welchen Job man hat und welche Alterserwartungen an den Partner gestellt werden. Auch der Ort, von dem aus man gerade nach einem Partner sucht, und ein in Kilometern angegebener Radius vom aktuellen eigenen Standpunkt werden angezeigt. Ein Swipe nach links heißt, dass man die Seite dieser Person nicht mag. Ein Swipe nach rechts heißt, man mag sie. Wenn die gemochte Person ebenfalls einen Swipe nach rechts macht, gibt es ein Match und man kann ein privates Gespräch beginnen.

So gewagt hat man sich in der wirklichen, analogen Welt vor einigen Jahren nicht verhalten. Man wusste nichts über die Person, die an einem im Cafe vorbeiging und toll erschien, oder über die Frau, die bei Freunden saß und super aussah. Das Objekt der Begierde war von einer gewissen Aura umgeben, die nicht so leicht zu durchbrechen war. Es sei denn, man hat gemeinsame Freunde, oder es gibt andere Gelegenheiten, um sich unterhalten zu können. Man musste die Angst vor Ablehnung in der Öffentlichkeit, oder davor, dass die Person bereits vergeben war, überwinden. Falls nichts davon der Fall war und die Person zustimmte, miteinander auszugehen, konnte man ihr Wesen und ihre Gedanken über längere Zeit kennenlernen, während sich die Gefühle schrittweise weiterentwickelten ,ohne übermäßig negative oder unrealistisch positive Eindrücke, wie sie das Internet vermittelt. So war auch die Angst vor einer Bindung an den Partner nicht so groß, denn Gefühle entwickelten sich sachte, aber mit Beständigkeit.

Die Möglichkeiten vor dem digitalen Zeitalter waren also begrenzt. Im Gegensatz dazu vermittelt die Bewegung der Rechtsswiper bei Tinder oder die der Likes bei Facebook ein falsches Gefühl des Überflusses und der multiplen Alternativen, was zu oberflächlicher Partnerwahl führt. Diese basiert auf einem kurzen Gefallenfinden an der Facebook-Seite oder der kurz aufflackernden Freude über die gemeinsamen Interessen auf Tinder. Die Bereitschaft zur gegenseitigen Verständigung, zum Opferbringen oder zur Geduld, um die Beziehung zu wahren, ist sehr viel niedriger. Das Phänomen der kurzlebigen Beziehungen, die keine emotionale oder romantische Verbindung mit dem Partner erkennen lassen, ist im Steigen begriffen. Heute gibt es Männer und Frauen, die damit prahlen, eine kurzzeitige sexuelle Beziehung mit jemanden eingegangen zu sein, für den sie keine besonderen Gefühle empfunden haben. Emotionale Kälte ist unter den Angehörigen der Millennium-Generation üblich.

In praktischer Hinsicht arbeiten auch die genannten Web-Anwendungen ohne Herz. Es werden mathematische – natürlich sehr logische – Algorithmen verwendet, die die Zufallsquoten und die Arrangements des Universums übergehen, indem sie dir einen Partner oder eine Partnerin und andere zukünftige, mehr oder weniger romantische Möglichkeiten anbieten und unwahrscheinliche Optionen ausschließen. Dein nächster Partner ist in einem Radius von 2 km zu erwarten, also nicht weit entfernt von den Orten, die du aufsuchst. Das Alter liegt zwischen den angegebenen Grenzen. Eure Interessen decken sich oder sind sich sehr ähnlich. Dass man sich in jemanden verliebt, der ein paar Tage jünger ist als angegeben oder etwa ganz andere Interessen hat oder keine guten Selfies macht, aber in Wirklichkeit ganz gut aussieht, wird dabei ausgeschlossen.

Aber ganz so düster sieht es nicht aus. Dating-Anwendungen haben Unerwartetes geleistet. Die Webseite Itaraf für die arabische Region hat bei Beginn kein spezifisches Land fixiert. Dennoch kam das Interesse vor allem aus Saudi-Arabien, dem Königreich, das Frauen erst kürzlich das Autofahren gestattete. Von den 600 000 Nutzerinnen und Nutzern haben sich 75% über saudische Anwendungssoftware registriert. Das Durchschnittsalter für Frauen liegt bei 26-27 Jahren und bei Männern zwischen 32 und 33 Jahren. Die Website hat seit 2013 erfolgreich 1323 Paare über Bindungen außerhalb der Familien, Sippschaft und Freundeskreise zusammengebracht.

Eine andere Anwendung mit dem Namen Bumble versucht Frauen zu ermächtigen und die traditionellen Annäherungsformen zu ändern. Hier haben Frauen das Recht des ersten Annäherungsversuchs. Wenn ein Mann von einer Frau ausgewählt wurde, hat die Frau 24 Stunden Zeit, um den ersten Schritt zu wagen. Was diese Anwendung anders macht, ist die Art, wie mit der Psyche des Mannes umgegangen wird, der Ablehnung fürchtet, zumal er dazu erzogen wurde, immer den Anfang machen zu müssen, was Stress aufbaut und ihn defensiv reagieren lässt. Wenn dann eine Frau auf seinen Annäherungsversuch nicht eingeht, wird er aggressiv. Dieser Prozess wird mit der Anwendung vermieden. Wenn die Frau den ersten Schritt macht, fühlt sich der Mann geschmeichelt und nicht abgelehnt, was für mehr Gelassenheit sorgt.

Angesichts der rapiden Entwicklungen überall auf der Welt gibt es scheinbar keine Zeit mehr für Partys und soziale Veranstaltungen. Auf Facebook sind zahlreiche Informationen über die Nutzer und ihre Interessen, Initiativen und persönliche Präferenzen gespeichert. Mithilfe dieser Informationen entwickelt Facebook zurzeit eine neue Dating-Anwendung, in der Benutzer eine Seite in einer traditionellen Facebook-App einrichten können, wo man nur für die jeweilige Person der Wahl sichtbar ist. Es werden dafür die bereits eingegebenen Daten benutzt, dabei bleibt man in den Gruppen, in denen man eingetragen ist. Man kann eine der Dating-Gruppen öffnen und jemanden treffen oder einer Veranstaltung gemeinsam beiwohnen. Wenn man den anderen mag, fängt Facebook an, einige Auswahlkriterien auf die Dating-Seite zu schicken, sodass man ein Gespräch anfangen kann. So können beide anfangen, sich richtig kennenzulernen und sich über eine längere Beziehung Gedanken zu machen und nicht nur ein paar Mal eine nette Zeit miteinander zu verbringen, wie es bei Tinder der Fall ist. Jedenfalls sind das die Absichten der Erfinder. Tinder hatte ja das gleiche Ziel, und so steht es auch in der Beschreibung: man sei um lange und sinnvolle Beziehungen bemüht.

Heute akzeptiert die Gesellschaft viele verschiedene neuartige Rollenmodelle. Manche Menschen identifizieren sich mit beiden Geschlechtern, legen eine gewisse sexuelle Besessenheit an den Tag oder wollen einfach nur ihre sexuellen Neigungen ausprobieren und entdecken. Manche haben gar kein Interesse an Sex und verhalten sich geschlechtsneutral. Das alles trägt paradoxerweise dazu bei, dass die heutige Generation weniger Sex praktiziert als die Generationen zuvor. Das scheint der Preis der freien sexuellen Entfaltung zu sein.

Für mich ist Online-Dating eine Chance, die größtmögliche Zahl an Kleidern und passenden Sandalen auszuprobieren. Wenn es aber weiterhin ein Gefühl von Einsamkeit hinterlässt und mich in der Vergeblichkeit bestätigt, einen Partner zu finden, mit dem ich mehr als nur eine gute Zeit verbringe, dann versuche ich - auch um meine psychische Gesundheit in Bezug auf Männer zu wahren - mich an realen öffentlichen Plätzen und Orten aufzuhalten, um die Wiederkehr der alten Auren zu spüren, um mich Blickwechseln zu stellen und der Notwendigkeit, einen Flirtspruch für die Einleitung eines Gesprächs zu finden, und am wichtigsten: um die Angst, Augenkontakt halten zu müssen, zu überwinden.