Erotisch shoppen in den Golfländern?

03/09/2018
1294 wörter

Im Internet bieten dutzende Seiten den Verkauf von Sexspielzeugen in die Golfländer an. Aber was sind die Herausforderungen?

Aus dem Arabischen übersetzt von Jana Duman

Die Auseinandersetzung mit Sex findet im Geheimen statt - doch Neugier und Wissensdurst bestehen allemal. Das Thema Sex wird hinter verschlossene Schlafzimmertüren verbannt und ist oft von Verbot, Kontrolle und Unterdrückung bestimmt. Es überrascht daher nicht, dass die Verwendung von Sexspielzeugen totgeschwiegen und regelrecht stigmatisiert wird: sie bleibt für gewöhnlich ein persönliches Geheimnis. Ebenso der Verkauf und Handel von Sexspielzeugen, der meist im Verborgenen stattfindet.

Der Import von Sexspielzeugen ist in den Golf- und Nachbarstaaten offiziell verboten, obwohl er mancherorts keinem entsprechenden Gesetz unterliegt. In Bahrain beispielsweise untersage das Zollrecht explizit die Einfuhr von gebrauchten Autoreifen, von Spaltstoffen wie Uran, von Schweinen und Pferden, nicht aber von Erotikprodukten, sagt Khadija Ahmad 2010 in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. Sie ist Eigentümerin des ersten Erotikgeschäfts im Golf. Ihr Laden „Khadija Mall“ befindet sich an einer geschäftigen Straße im Süden Manamas, der Hauptstadt Bahrains.

In diesem Interview berichtet Khadija Ahmad von ihren Schwierigkeiten und der strengen Kontrolle, der sie seit der Eröffnung ihres Ladens 2008 ausgesetzt sei, besonders durch die Zollbehörden. Diese Probleme hätten „nichts mit sozialen Normen oder Gesetzen zu tun“.

In konservativen Gesellschaften wird von Frauen erwartet, dass sie sich um die Befriedigung der Männer bzw. Ehemänner kümmern. Das führt wiederum dazu, dass Frauen sich in übertriebenem Maße um ihr Aussehen, um Kleidung und Kosmetik sorgen, um sich auf das Ehe- und damit Sexleben vorzubereiten. Mit Makeup, Schmuck und aufreizender Kleidung versuchen sie die Anziehung und Liebe der Männer zu halten, in der Hoffnung, dass sie sich keine Andere suchen. Dieses Verhalten ist gesellschaftlich akzeptiert, gesetzlich und religiös legitimiert.

Eine kurze Suche im Internet reicht aus um auf etliche Seiten zu stoßen, die Sexspielzeuge, Aphrodisiaka und andere stimulierende Mittel in den Golfstaaten anbieten. Sogar in Saudi-Arabien, das für seine Konservativität bekannt ist. Dort ist Abdelaziz Auragh mit seiner Marke „Aseera“ („die Gefangene“ – allein der Name ist mehrdeutig) Vorreiter im Erotikgeschäft. Er verkauft Öle, Kerzen und andere Produkte, die „dem Sex und Verlangen eine tiefere Bedeutung verleihen, wenn nicht sogar Spiritualität“, wie er 2015 in einem Interview mit Agence France-Presse sagte.

Solche Erotikshops und Internetseiten bieten Produkte wie Massageöle, parfümierte Damenunterwäsche, oder Wäsche mit Schokoladengeschmack, Kerzen, Parfums, Cremes für eine verzögerte Ejakulation, stimulierende Aromen, Perücken und andere Accessoires an. Aber keiner bietet, zumindest öffentlich, Sexspielzeuge an, die den Geschlechtsteilen nachempfunden sind, wie Dildos oder Sexpuppen.

Auragh erklärt, dass „die Produkte, die wir auf dem Markt anbieten, nichts mit einer Puppe oder einem Vibrator zu tun haben“. Auch Khadija Ahmad bestätigt, sie verkaufe „keine Vibratoren, denn das ist unislamisch. Der Islam verbietet die Nachbildung oder Darstellung der intimen Körperteile. Aber ich biete andere Spielzeuge an, wie vibrierende Ringe.“

Im August 2018 beschlagnahmten die Behörden in den Vereinten Arabischen Emiraten 1124 Sexspielzeuge und Pornofilme, die eine arabische Frau über die Sozialen Medien, über Facebook und WhatsApp, angeboten hatte. Ihr Haus wurde gestürmt, nachdem sie beim vermeintlichen Verkauf einiger Produkte von der Polizei überführt wurde. Ihr Anwalt kritisierte vor Gericht das Vorgehen der Behörden als rechtswidrig, schrieb Gulf News.

In Bahrain wurden 2016 ein Einheimischer und eine Europäerin verhaftet, denen vorgeworfen wurde, pornographische Bilder und Materialien auf Instagram angeboten und Sexspielzeuge in Form von Penis und Vagina verkauft zu haben. Auch in diesem Fall hatte die Polizei die Europäerin in eine Falle gelockt. Bei der Durchsuchung ihrer Wohnung fand die Polizei belastende Ware, berichtete Bahrains Al-Wasat News.

Laut Gulf News wurde im April 2017 in Dubai ein europäischer Geschäftsmann verhaftet und abgeschoben, da er mit seinem einheimischen Partner über Facebook und andere Seiten mehr als 150 aus China importierte illegale Produkte pornographischer und sexueller Natur in Umlauf gebracht hatte. Der Geschäftsmann war ebenso durch einen von der Polizei beauftragten Informanten überführt worden. Sein Partner aus den Emiraten wurde zu einer Geldstrafe von 10000 Dirham (etwa 2353 US-Dollar) verurteilt.

 

Eingriff am Flughafen

Die Behörden in den Golfstaaten zögern nicht, an Flughäfen und Grenzübergängen die Einfuhr von Sexspielzeugen zu stoppen und diese zu konfiszieren. Besonders streng wird auf solche Spielzeuge geachtet, die den Geschlechtsteilen nachempfunden sind. Auch wenn es sich dabei nur um Einzelstücke für den persönlichen Gebrauch handelt. Im Jahr 2016 wurde eine Britin von den omanischen Behörden am Flughafen aufgehalten, weil die Schwimmhilfe ihres Kindes auf dem Bildschirm des Gepäckscanners eine phallische Form zu haben schien, berichteten die omanischen Gulf News.

Khadija Ahmad erklärt, warum Geschäfte wie ihres gebraucht werden: „Wir verkaufen Liebes- und Sexspielzeuge, die Ehepaaren helfen können, Probleme wie Langeweile und Routine zu überwinden. Diese führen immer öfter zur Scheidung. Deshalb dachte ich mir, ich rufe ein Projekt ins Leben, das das Eheleben vom Schlafzimmer aus verändern kann.“ Sie betont jedoch, dass sie stets Produkte aussuche, „die mit unseren Sitten, Traditionen, unserer Religion und dem Gesetz im Einklang stehen.“

Erotikhändler Auragh sagt dazu: „Die Sache hat nichts mit Sex zu tun, sondern mit dem Drumherum. Unsere Produkte regen die Stimmung an und fördern die Sinnlichkeit.“

Dies bestätigt auch Dr. Fawzia Aldiria, Expertin für Erotikkultur und Sexualprobleme: „Es besteht kein Zweifel, dass unser Geruch bei der gegenseitigen Erregung eine wichtige Rolle spielt, sei es der Geruch des Körpers selbst oder des Parfums, das wir auftragen. Wenn wir an eine Person denken, zu der wir uns hingezogen fühlen oder fühlten, dann realisieren wir, dass der Geruch sehr wichtig ist. Da wären einmal die üblichen Körperregionen wie der Hals und die Hand. Aber es gibt auch Regionen, an die manche beim Auftragen des Parfums vielleicht nicht denken würden, die aber reizvoll sind, wie das Bein, die Innenseite des Knies, die Hand- oder Fußoberfläche. Natürlich hält das Parfum oder Aroma am Hals besonders gut und durch Bewegung verteilt es sich dann hierhin und dorthin.“

Die Anzahl islamischer Fatwas (der Islam ist die offizielle Religion in allen Golfstaaten) zur Verwendung von Sexspielzeugen unter Partnern hat sich in jüngster Zeit vervielfacht. Auf der Webseite des Ishaa-Zentrums für islamische Studien und Forschung, das von Sheikh Saleh al-Karbasi geleitet wird, steht beispielsweise, dass es Ehepartnern erlaubt sei, einander mithilfe der eigenen Körperteile sexuell zu erregen und die Lust zu stillen, nicht aber mithilfe externer Objekte zur Einführung in Vagina oder Anus.

Ebenso spricht sich Sheikh Dr. Hussam ad-Din Afaneh auf der Website des Islam-Netzwerks Yasaloonak für ein gesetzliches Verbot des Imports und Verkaufs von Sexpuppen jeglicher Art aus, „denn sie sind Mittel der Korruption und Verfälschung; sie fördern die Verbreitung des Bösen und der Abscheulichkeit in der Gesellschaft und verursachen großen Schaden. Unter islamischen Rechtsgelehrten herrscht Einigkeit darüber, dass der Zweck zwar gut, aber derartige Mittel schlecht sind. Vernünftigen Menschen ist bekannt, dass der Import und die Verwendung von Sexpuppen Korruption und Rückständigkeit verbreiten, zum Verfall der Moral und der Ausbreitung von Lastern führen und diese wiederum zu Ehebruch, Sodomie und Masturbation. Was zum Verbotenen führt, ist verboten.“

Die Meinungen der Händler und religiösen Experten zur Verwendung von Erotikprodukten beziehen sich natürlich ausschließlich auf die Beziehung von Eheleuten:  jegliches Sexleben außerhalb der religiös abgesegneten Ehe ist in diesen Gesellschaften verboten und wird bestraft.

 

Verbotene Früchte schmecken am besten

Das große Interesse an Sexspielzeugen und anderen Produkten lässt sich gerade auch durch den Hauch des Verbotenen, der sie umgibt, erklären: verbotene Früchte schmecken bekanntlich am besten. Verbote verhindern nicht, dass Menschen diese Produkte erwerben, sondern verschieben den Handel lediglich ins Geheime, in die Sphäre des Internets. Illegale Sexspielzeuge werden dann vielfach aus dem Ausland bestellt.

Die Besitzer der beiden berühmtesten Läden in Saudi-Arabien und Bahrain geben an, erst die Zustimmung islamischer Gelehrter eingeholt zu haben, bevor sie ihre Shops eröffneten. Sie wollten sicher gehen, im Einklang mit der Scharia zu handeln. Khadija sagt, islamische Gelehrte hielten „Erotikprodukte für erlaubt, wenn sie von Verheirateten verwendet werden.“

Viele Sexprodukte und -spielzeuge werden in den Golfstaaten jedoch ganz öffentlich verkauft: beispielsweise in Unterwäscheläden. Dort findet man unter anderem aromatisierte Gleitmittel, Erotikspiele, abwaschbare Tattoos, Handschellen, Ruten oder Ringe. In einem Gespräch mit Emirates247 gab die Verkäuferin eines Unterwäscheladens in einer großen Mall in Dubai an, dass sich diese Produkte sehr großer Beliebtheit und Nachfrage erfreuten.

Eine andere Verkäuferin sagte jedoch, dass in ihrem Laden diese Dinge trotz des großen Interesses nicht verkauft würden, denn sie wären illegal. „Auch nach pornographischen Filmen fragen die Kunden, aber so etwas verkaufen wir genauso wenig“, fügte sie hinzu.

In Onlineforen liest man immer wieder Fragen von Ausländern, ob sie Erotikprodukte und Pornos in den Golfstaaten erwerben oder ob eigene Exemplare mitgebracht werden könnten. Meist werden sie von Ansässigen oder erfahrenen Reisenden gewarnt, dass der Erwerb und Besitz von Sexspielzeugen und Erotikfilmen für Reisende zu Problemen an Flughäfen und Grenzübergängen führen kann. Der Ratschlag lautet: Erotikprodukte sollten im jeweiligen Land erworben und nicht mitgeführt werden.

Im Internet kann man Sexspielzeuge und Erotikprodukte aller Art auf vielen Websites erwerben –mit der Warnung, dass einige davon in den Golfstaaten illegal sind und vom Zoll konfisziert werden könnten. Illegale Produkte werden auch über die Sozialen Medien vertrieben, allerdings mit großer Vorsicht. Denn die Sicherheitsbehörden beobachten die Konten aufmerksam, schicken verdeckte Informanten und beschlagnahmen schlussendlich die Produkte.