Gedanken zu dem Film „Die Frau eines wichtigen Mannes“: War Mohamed Khan Feminist?

Mit messerscharfer Präzision zeichnete Mohamed Khan die Figur des Hesham, um uns damit den Archetyp eines Machos vor Augen zu führen – eine Figur wie aus dem Leben gegriffen.

Aus dem Arabischen übersetzt von Rafael Sanchez

Der Film Zawgat Ragol Mohim / Die Frau eines wichtigen Mannes des ägyptischen Regisseurs Mohamed Khan zählt zu den bedeutenden Werken in der Geschichte des ägyptischen Films und gilt unter den Fans des Kinos der 1980er-Jahre als Klassiker. Seine Bedeutung bezieht der Film hauptsächlich aus seiner dokumentarischen Annäherung an die sogenannten Brot-Unruhen im Ägypten des Jahres 1977 und seiner messerscharfen Darstellung der allgemeinen politischen Situation nach der Wende vom Sozialismus zum Kapitalismus, derer die ägyptische Gesellschaft unter Präsident Anwar as-Sadat (1970-81) Zeuge wurde. Diese großen Fragen behandelt Mohamed Khan, indem er sich den kleinen Details aus dem Alltagsleben eines Ehepaars widmet, in einer meisterhaften Collage aus Allgemeinem und Privatem, aus Intimem und Politischem.

Mona (gespielt von Mervat Amin) ist die einzige Tochter eines – sie nach Kräften unterstützenden – Vaters und einer gutherzigen Mutter. Ihr Alltag verläuft in den unspektakulären, monotonen Bahnen des Lebens einer typischen Mittelschicht-Familie. Mohamed Khan präsentiert Mona als konservative Figur, hinter deren stiller Sanftheit sich mentale Robustheit und eine starke, von außen nicht zu vermutende Persönlichkeit verbergen. Sie wählt der junge Offizier Hesham (gespielt von Ahmad Zaki) zu seiner gehorsamen Ehefrau. Die Figur des Hesham steht in dem Film für das Alphamännchen, dessen Machtbesessenheit keine Grenzen kennt.

Der Konflikt zwischen den beiden Hauptfiguren beginnt langsam, nimmt dann an Fahrt auf und wird immer unentwirrbarer. Schließlich nimmt er Dimensionen an, die weit über die Grenzen ihrer Beziehung hinausgehen. Der parallel stattfindende gesellschaftliche Konflikt um Herrschaft und Ausbeutung wird im Film durch eine Reihe von Dichotomien verkörpert: Staatsmacht versus Volkswille, Kapitalismus versus Sozialismus, Männlichkeit versus Weiblichkeit, Gewalt versus Kunst, Intelligenz und Wissen versus Arroganz. In einem dramaturgisch ausfeilten Plot überschneiden und verwischen sich die Konfliktlinien. Ihren Höhepunkt erreichen sie innerhalb der Dialoge. Einige davon wollen wir im Folgenden näher betrachten.

 

Die Polizeiuniform als Dienstkleidung des Patriarchats?

In der 42. Minute des Films sehen wir einen Polizeioffizier, wie er einen für seine regimekritischen Artikel bekannten Autor verhört. Der Offizier verhält sich ihm gegenüber respektvoll, lässt ihm ein Glas Tee bringen und bietet ihm eine Zigarette an. Hesham reagiert auf das Verhalten seines Kollegen höchst gereizt:

„Was machst du denn da? Willst du ihn verhören oder verhätscheln? Bietest ihm Tee und Zigaretten an, was soll das Ganze? Sind wir hier im Kasino, oder was?“

„Was soll daran falsch sein? Das ist Prof. Magdy, der bekannte Autor, den wir alle lesen. Und überhaupt, wir müssen die Leute respektieren und gut behandeln.“

 

Der Liberalismus und seine Haltung zur Meinungsfreiheit für Arbeiterschaft und für Frauen

Während einer Silvesterfeier gibt ein Geschäftsmann und liberaler Abgeordneter des Parlaments seine üblen Ansichten voller Stolz und Selbstbewusstsein zum Besten und bekommt dafür Applaus von Hesham und anderen anwesenden Emporkömmlingen. Mona wagt es, seinen Meinungen zu widersprechen, woraufhin er mit der Logik der Verächtlichmachung und der Überheblichkeit kontert, ohne dass ihr Mann ihr beispringt oder ihre Gedanken wertschätzt. Tief verletzt in ihrer Würde verlässt sie die Party.

„Das Land steht Kopf. Jetzt reden die Arbeiter schon über Politik, und die Politiker gehen in die Fabriken arbeiten. Das haben wir nun von deren kranken Ideen! Wie dieses ganze Getue um den Assuan-Staudamm, der die Felder ohne Nährstoffe zurückgelassen hat. Schluss mit diesen Jubelhymnen… Wir haben gesagt, wir bauen den Assuan-Staudamm und jetzt haben wir ihn gebaut1… So ein Quatsch!“

„Aber was Sie da sagen, stimmt doch gar nicht.“

„Ach, sieh an?!!! Da bin ich ja mal gespannt auf die Gegenmeinung. Ich liebe Debatten.“

„Mein Vater ist Bewässerungsingenieur. Ich habe mit ihm das ganze Land bereist und er hat mir immer wieder versichert, wenn es den Assuan-Staudamm nicht gäbe, wäre alles überschwemmt worden oder die Leute wären verdurstet. Ohne den Assuan-Staudamm würden die landwirtschaftlichen Flächen gar nicht ausreichen für das gewaltige Bevölkerungswachstum.“

„Gestatten Sie, dass ich Ihnen widerspreche: So reden Schulkinder daher, die den Stoff brav auswendig gelernt haben.“

 

Der Konflikt zwischen Mann und Frau als Speerspitze aller anderen Kämpfe?

Zweifellos bietet der Film unzählige Interpretations- und Diskussionsansätze, geht es doch um einen seit Ewigkeiten weitervererbten, scheinbar unlösbaren Menschheitskonflikt. Was den Film bemerkenswert macht, ist die Tatsache, dass er den Antagonismus Mann/Frau in das Gesamtbild der politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Konflikte einordnet, ja ihm unter all diesen Konflikten eine Vorrangstellung zubilligt. Mohamed Khan hat das Thema der Befreiung der Frau vom Joch des Patriarchats, das so lange Zeit ein Schattendasein geführt hatte, zum Kernthema seines Films gemacht. Das muss man ihm angesichts der Positionen einiger linker Intellektueller heutzutage hoch anrechnen, welche den Konflikt zwischen den Geschlechtern unwirsch beiseite wischen, da sie ihn nicht zu ihren politischen Prioritäten zählen.

Von dem französischen Soziologen Pierre Bourdieu stammt der Begriff „Symbolische Gewalt“. Damit wollte er zum Ausdruck bringen, dass die gesellschaftlichen Akteure nicht auf rein materieller Ebene gegeneinander ankämpfen, wie es die klassisch-marxistische Analyse sieht. Stattdessen unternahm Bourdieu den Versuch, die Gesamtheit der symbolischen Konflikte ins Licht zu rücken, welche die einzelnen Individuen und Gruppen in sich bergen. In seinem Buch Die männliche Herrschaft (im Original La domination masculine) hat er die Mechanismen dieser Herrschaft anhand von Alltagsbeispielen seziert, in denen eine Unterwerfung unter die Logik der symbolischen Gewalt zu verzeichnen ist.

Mohamed Khan ist es mit seinem Film Die Frau eines wichtigen Mannes gelungen, den Begriff der symbolischen Gewalt konkret anhand der Beziehung zwischen Mona und Hesham zu analysieren. Präziser und glaubwürdiger als jede noch so komplexe und materialreiche wissenschaftliche Abhandlung vermögen es seine visuellen Kompositionen, all die immaterielle Gewalt zum Ausdruck zu bringen, der Bourdieu auf die Spur kommen und für deren umfassende Erforschung er wissenschaftliche Gesetzmäßigkeiten etablieren wollte.

Protestdemonstrationen gegen steigende Preise brechen aus. Es sind die unter dem Namen Brot-Unruhen bekannt gewordenen historischen Ereignisse. Hesham macht sich sogleich beflissen an die Bekämpfung und Gefangennahme der Demonstranten, um sich bei seinen Vorgesetzten lieb Kind zu machen. Zurück von seinem erbitterten Kampf um Macht findet er seine Frau ebenfalls in Aufruhr vor, weil er sie so nachlässig behandelt hat. Sie beschließt, zu ihrer Familie zu gehen. Er reagiert ungerührt auf ihre Rebellion:

„Glaubst du etwa, einer wie ich, der die Sicherheit des Landes schützt, weiß nicht, wie er die Sicherheit seines Hauses bewahrt?!“

Die Gesichter Heshams und Monas verschwinden aus dem Bild und die Kamera nimmt nur mehr ihre Münder in den Fokus. Damit gestaltet sie den Kern des Problems als einen Ur-Konflikt zwischen einem Mann und einer Frau, die beide losgelöst von ihrer Identität sind – was durch den schnurrbartumrandeten Mund Heshams und den sanften Mund Monas symbolhaft zum Ausdruck gebracht wird.

„Erinnerst du dich noch daran, was du mir vor unserer Hochzeit gesagt hast? Du hättest mit mir das Gefühl, dass sich die Türen vor uns öffnen… dass die Leute uns respektieren und nur auf ein Wort oder Zeichen von uns warten… Du warst wie geblendet vor lauter Überwältigung, als du das gesagt hast. Damals habe ich mir gedacht: Die soll meine Frau werden.“

„Ich war wie ein Kind.“

„Dann will ich, dass du immer Kind bleibst.“

Als Antwort darauf fasst sie ihre persönliche Krise und die ihrer Beziehung in folgenden Worten zusammen: „Genau das ist das Problem… Jeden Tag werde ich reifer und verstehe immer mehr. Das Geblendetsein ist weg, zum Vorschein kommt die Wahrheit.“

 

Oder ist es eine Krise der Männlichkeit mit sich selbst?

Mit messerscharfer Präzision hat Mohamed Khan die Figur des Hesham gezeichnet, um den Zuschauern damit den Archetyp eines Machos vor Augen zu führen, eine Figur wie aus dem Leben gegriffen. Er ist eine zwiespältige, zerrissene Figur. Einerseits entspricht er dem Bild des typischen Machtmenschen mit gewaltigem Ego und Kontrolle über anderer Leute Schicksal. Dann wiederum erscheint er als Mann, der aus dem Gleichgewicht geraten ist – emotional schwach, erschüttert in seinem Selbstbewusstsein, unfähig zu kommunizieren oder um Hilfe zu bitten. Kurz gesagt: ein Mann ohne genügende Resilienz, um Krisen zu bewältigen. Mohamed Khan bringt die Zuschauer dazu, sich die Frage zu stellen: Verdeckt die inszenierte Männlichkeit mit ihren ganzen Wunschbildern einen Mangel in der psychischen Konstitution ihrer Protagonisten, also der typischen Männer?

Eben diese Frage war Gegenstand einer US-amerikanischen Studie über den Zusammenhang zwischen Anpassung an stereotype Männlichkeitsnormen und mentaler Gesundheit, die 2016 in der Zeitschrift Journal of Counseling Psychology erschienen ist. Die Studie2 kam zu dem Ergebnis, dass das Festhalten an solchen Männlichkeitsnormen sich bei Männern negativ auf die gesellschaftliche Performanz auswirke, zu einer höheren Anfälligkeit für mentale und psychische Erkrankungen führe sowie die Bereitschaft, sich Hilfe zu holen, sinken lasse.

Das Auge des Regisseurs folgt den Symptomen dieser krankhaften Männlichkeit aus nächster Nähe, indem es den Zusammenbruch der Figur des Hesham minutiös dokumentiert. Als dieser seine berufliche Stellung und seine Macht verliert, stürzen mit diesem Verlust auch die Säulen seines Mannseins ein. Die in ihm aufgestaute Gewalt verwandelt sich in physische Gewalt gegen seine Frau, der keine andere Wahl bleibt, als sich der Realität zu stellen. Sie bittet ihren Vater darum, sie vor ihrem Mann zu beschützen, der sich nach und nach in eine Bestie verwandelt.

Als finalen Höhepunkt dieses epischen Konflikts wählt der Regisseur ein Duell zwischen zwei Männern, dem Ehemann und dem Vater. Einem machtbesessenen Macho und einem nicht in seiner Männlichkeit gefangenen Mann, der versucht, seine Tochter zu retten. Bei dieser blitzartigen Konfrontation fallen zwei Schüsse. Einer davon tötet den Vater, den gutherzigen Retter. Mit dem zweiten tötet der herrschsüchtige Ehemann sich selbst. Mohamed Khan scheint uns mit diesem Schluss sagen zu wollen: Es ist ein Konflikt des Mannes mit dem Mann. Ein Kampf gegen jene toxische Männlichkeit, welche die von ihr befallenen Männer dazu bringt, sich selbst und die Menschen in ihrer Umgebung zu zerstören – in einer fieberhaften Hetzjagd mit dem einzigen Ziel, einem Wahnbild zu entsprechen.

  • 1. Anmerkung des Übersetzers: So lautet der Refrain des Lieds Hikayat Shaab (Geschichte eines Volkes) des berühmten ägyptischen Sängers Abdel Halim Hafez aus dem Jahr 1960, in dem der Bau des Assuan-Staudamms euphorisch besungen wird.
  • 2. Darin haben Wissenschaftler der Indiana University Daten aus 78 früheren Studien (mit insgesamt 19.453 Teilnehmern) zu Männern, Männlichkeitsvorstellungen und mentaler Gesundheit gesammelt. Die Ergebnisse wurden anhand des „Conformity to Masculine Norms Inventory“ analysiert, welches nach 11 Kriterien unterteilt ist: Herrschaftsbedürfnis, Siegeswille, Bedürfnis nach emotionaler Kontrolle, Gewalt, Spielen der Don-Juan-Rolle, Lust am Risiko, Priorisierung des Berufs, Bedürfnis nach Unterwerfung der Frauen, Bedürfnis nach Selbstbeherrschung, Bedürfnis nach Status und Verachtung der Homosexualität.